Kreatives Schreiben – 12.12.2011 (Splitter Extended V: Was du nicht siehst)

Aufgabe: Ich sehe, ich sehe, was du nicht siehst
Stichwort: –
Zeitvorgabe: Hausübung
Sonstige Bedingungen: –

Nachtrag: Es hatte sich im Gespräch herausgestellt, dass auch zwei meiner Freunde sich an dieser Übung probieren wollten. Die Ergebnisse könnt ihr bei MissPig und bei WoDu nachlesen.

—

Island, sagst du, ist für mich wie eine ungezeichnete Landkarte.

Du streichst dir mit vier Fingern das Haar hinters Ohr, so, wie du es immer tust. Wie beiläufig, doch in dieser Bewegung steckt etwas Andächtiges, als läge darin der Sinn der Welt. Deiner Welt.

Island, sagst du. Bereisen kann man es zu zweit, aber entdecken nur für sich.

Du ziehst die Rolle Klebeband über den Karton und reißt es ab. Ein Stück verstaute Vergangenheit.

Ich frage dich nicht, ob ich dir helfen soll. Nicht wie die Male zuvor. Es geht schon, hast du stets geantwortet. Stöhnend packst du den Karton und trägst ihn langsam und wankend in den Keller hinunter. Minuten später kommst du mit in die Höhe gestrecktem Zeigefinger zurück. Ich frage dich, was du vergessen hast.

Du bleibst stehen und siehst deinen Zeigefinger mit fragenden, moosgrünen Augen an. Dann ziehst du die Augenbrauen in die Höhe und verschwindest in der Küche.

Ich betrachte die vier kreisrunden Abdrücke auf dem Parkett. Die Stelle, an der sein Fernsehfauteuil gestanden hat. An den sich niemand mehr erinnern will, auch kein in die Höhe gestreckter Zeigefinger.

Für meine Hilfe, sagst du und wirfst mir die Red-Bull-Dose wie ein Baseballspieler von Weitem zu. Ich fange sie, aber es zischt beim Öffnen. Du verziehst die Nase, als sich der süßliche Duft konservierter Energie verbreitet.

Island, sagst du, war für ihn nie mehr als eine Aschewolke, die den Flugverkehr behindert.

[…]

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